Noch nicht ausgelieferte Rüstungsexporte an Saudis auf Prüfstand

ABQnews| Deutschland / Türkei / Saudi-Arabien | Die Bundesregierung stellt nach der Tötung des saudiarabischen Journalisten Dschamal Chaschoggi die Auslieferung bereits genehmigter Rüstungsexporte an Saudi-Arabien infrage.
Solange es keine Klarheit über die Todesumstände gebe, fehle eine Grundlage für die Genehmigung neuer Rüstungsausfuhren, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. “Was das zum Beispiel für schon getroffene Entscheidungen bedeutet, das ist in der Regierung jetzt zu prüfen.” Nach langem Zögern sagte auch Siemens-Chef Joe Kaeser seine Teilnahme an der für diese Woche geplanten Investorenkonferenz in Riad ab. Die türkische Regierung wies die Darstellung des Königreichs zurück, Chaschoggi sei versehentlich im saudiarabischen Konsulat in Istanbul getötet worden. Es handle sich um einen “monströs geplanten” Mord, der vollständig aufgeklärt werden, sagte ein Regierungssprecher.
Die deutschen Rüstungsunternehmen forderten Klarheit von Kanzlerin Angela Merkel über das weitere Verfahren für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. “Die Rüstungsunternehmen brauchen im Rahmen bereits erteilter Genehmigungen dringend diesen Vertrauensschutz, da ansonsten rein politische Themen auf ihrem Rücken ausgetragen würden”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BDSV, Hans Christoph Atzpodien, dem “Handelsblatt”. Die Rüstungsfirmen würden die Bundesregierung daher um eine Aussage bitten, wie es mit diesen Lieferungen weitergehe. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärte, man werde sich den Anordnungen der Bundesregierung fügen. Die Wirtschaft erkenne den Primat der Politik an, sagte BDI-Chef Dieter Kempf im Deutschlandfunk.
Offen blieb zunächst auch, ob die Bundesregierung auch Wirtschaftssanktionen gegen Saudi-Arabien erwägt. Zunächst gehe es darum, dass die Tötung Chaschoggis umfassend und glaubwürdig aufgeklärt werde, sagte Seibert. Alles weitere werde danach in der Regierung und mit Partnern in der EU und der G7 beraten.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier forderte eine einheitliche Reaktion der EU-Staaten. “Nur wenn alle europäischen Länder sich einig sind, dann macht dies Eindruck auf die Regierung in Riad”, sagte er im ZDF
In den ersten neun Monaten des Jahres genehmigte die Bundesregierung Rüstungslieferungen im Volumen von rund 400 Millionen Euro an Saudi-Arabien. Das Königreich war damit zweitgrößter Empfänger deutscher Rüstungsexporte mit Genehmigungen in Höhe von knapp 750 Millionen Euro.
— TÜRKEI: SAUDI-ARABIEN BELEIDIGT UNSERE INTELLIGENZ —
Ein Berater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wies die Darstellung Saudi-Arabiens zurück, Chaschoggi sei bei einem Faustkampf umgekommen. “Man kann sich nur darüber wundern, wie es zwischen 15 jungen, gut trainierten Kämpfern und einem 60 Jahre alten Chaschoggi, allein und wehrlos, zu einem Faustkampf gekommen sein soll”, sagte Yasin Aktay der regierungsnahen Zeitung “Yeni Safak”. Saudi-Arabien beleidige damit die Intelligenz seiner Gesprächspartner. Erdogan erklärte, er werde sich in einer Rede am Dienstag zu den Ergebnissen der türkischen Ermittlungen äußern. Sein Sprecher Ibrahim Kalin betonte, die Regierung werde keine Ergebnisse ihrer Untersuchung der Todesumstände des Journalisten zurückhalten. Die Verantwortung für die Enthüllung des wahren Geschehens liege allerdings bei Saudi-Arabien.
Türkische Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass saudiarabische Geheimdienstler den regierungskritischen Journalisten ermordeten und seine Leiche zerstückelten. Nach wochenlangen Dementis hatte Saudi-Arabien am Samstag erstmals eingestanden, dass der “Washington Post”-Kolumnist im Konsulat des Königreichs in Istanbul getötet wurde.
— US-REGIERUNG WEITER ZURÜCKHALTEND —
Die US-Regierung äußerte sich erneut sehr zurückhaltend zu der Affäre. Präsident Donald Trump werde erst dann über das weitere Vorgehen entscheiden, wenn alle Fakten vorlägen, sagte sein außenpolitischer Berater und Schwiegersohn, Jared Kushner. Man befinde sich noch in einer Phase der Informationssammlung, sagte Kushner CNN. Man erhalte Informationen von vielen Seiten, nicht allein von Saudi-Arabien. Er habe Kronprinz Mohammed bin Salman zu Transparenz aufgerufen. “Die Welt schaut auf Saudi-Arabien”, habe er ihm erklärt. Es gehe um sehr, sehr ernste Beschuldigungen und die Lage sei sehr ernst.
Der saudiarabische Außenminister Adel al-Dschubeir wies Spekulationen zurück, Kronprinz Mohammed könnte die Tat angeordnet haben. Es handle sich um eine eigenmächtige Aktion, mit der einzelne ihre Befugnisse überschritten hätten, sagte er dem US-Fernsehsender Fox. “Sie haben einen Fehler gemacht, als sie Chaschoggi im Konsulat töteten, und sie haben versucht, das zu vertuschen.” Die saudiarabische Führung wisse nicht, wo die Leiche des Journalisten sei.
Quelle:Reuters.
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